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Abstract
Ausgehend davon, dass der Agrarsektor in die Internationalisierungsprozesse
der Weltwirtschaft eingebunden ist, stand die Untersuchung einzelbetrieblicher
Internationalisierungsprozesse westeuropäischer landwirtschaftlicher Unternehmen
im Mittelpunkt der Arbeit. Die Integration landwirtschaftlicher Unternehmen in
globale Produktionsnetzwerke führt in Kombination mit sich verändernden politischen
Rahmenbedingungen und Agrarstrukturen zu einem hohen wettbewerblichen
Anpassungsdruck. Dieser bewirkt u. a., dass landwirtschaftliche Unternehmen
wachsen und sich spezialisieren. Eine der möglichen Anpassungsstrategien
landwirtschaftlicher Unternehmen kann das Wachstum durch geographische
Expansion sein. Findet diese grenzüberschreitend statt, handelt es sich um eine
Internationalisierung durch die Vornahme von Ausländischen Direktinvestitionen
(ADI).
Tatsächlich gibt es zahlreiche Praxisbeispiele landwirtschaftlicher Unternehmen,
die ADI tätigen und damit der Definition nach internationale landwirtschaftliche
Unternehmen sind. Allerdings sind sowohl konzeptionelle als auch empirische
wissenschaftliche Arbeiten, die sich explizit mit ADI in der Landwirtschaft und
internationalen landwirtschaftlichen Unternehmen beschäftigen, nur vereinzelt zu
finden. Es ist anzunehmen, dass der Hauptgrund hierfür die geringe Datenverfügbarkeit
ist. Weder nationale noch internationale Agrarstatistiken erfassen landwirtschaftliche
Unternehmen, die im Ausland geschäftlich aktiv sind, noch weisen
ADI-Statistiken den Branchenhintergrund der Investoren aus. Somit ist weder die
Quantifizierung noch die Identifikation solcher internationaler landwirtschaftlicher
Unternehmen anhand von Sekundärstatistiken möglich.
Das Ziel dieser Arbeit war es deshalb, eine systematische Bestandsaufnahme zu
ADI in der Landwirtschaft mit der Fragestellung zu leisten, wer (Investorenstruktur
und Branchenhintergrund) investiert wie (Betriebsgründung und
-organisation) und warum (Investitionsmotive) in die Landwirtschaft. Besondere
Schwerpunkte waren dabei die Identifikation internationaler landwirtschaftlicher
Unternehmen und die Untersuchung der Unterschiede zwischen Investoren mit
unterschiedlichem Branchenhintergrund. In der Annahme, dass die agrarstrukturellen
Gegebenheiten in den Herkunftsländern und die (produktionsbezogenen)
Standortfaktoren in den Gastländern für ADI, Investitionsflüsse aus Westeuropa in die mittel- und osteuropäischen Länder begünstigen, lag der
räumliche Fokus auf westeuropäischen ADI in die Ukraine.
Der erste Teil der Arbeit gibt einen Überblick über die verfügbaren Informationen,
Daten und Untersuchungen zu internationalen landwirtschaftlichen
Unternehmen und ADI in der Landwirtschaft. Die nachfolgende Vorstellung von
Theorien der Internationalisierung durch ADI erfolgte im Hinblick auf den
Erklärungsbeitrag, den diese für ausländische Investitionen in den Sektor
Landwirtschaft auf Unternehmensebene leisten können. Vorgestellt werden
verschiedene theoretische Ansätze (industrieökonomische, internalisierungstheoretische,
standorttheoretische und verhaltensorientierte Ansätze und die
eklektische Theorie von DUNNING), da eine geschlossene Theorie der Direktinvestition
nicht existiert. Für die Fragestellung der empirischen Untersuchung
ließen sich hieraus beispielweise Aussagen ableiten zu dem Zusammenhang
zwischen den Charakteristika der investierenden Unternehmen und den Investitionsmotiven,
zu der Relevanz von Standortfaktoren in Herkunfts- und Gastland der
ADI für die Investitionsentscheidung und zu der Vorgehensweise bei der Internationalisierung
von Unternehmen, die am Anfang dieses Prozesses stehen. Da die
ADI-Entscheidung gleichzeitig eine Standortentscheidung ist, schloss sich ein
Überblick über die Entwicklung des ukrainischen Agrarsektors und ausgewählte
Standortfaktoren an.
Der zweite und zentrale Teil der Arbeit untersucht empirisch deutsche, dänische
und niederländische ADI in den ukrainischen Agrarsektor auf einzelbetrieblicher
Ebene. Eine erhebliche Herausforderung war dabei die Identifizierung der Investoren
bzw. Interviewpartner als erster Schritt der Primärerhebung. Die über Experteninterviews
ermittelten Kontaktdaten deutscher, dänischer und niederländischer
Investoren ermöglichten die Durchführung von 33 Interviews mit Hilfe eines
strukturierten Fragebogens. Die Auswertung geschah als Kombination der quantitativen
und qualitativen Daten, indem qualitative Einzelbeispiele und Informationen
die quantitativen Mikrodaten ergänzten. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist
aber zu beachten, dass der begrenzte absolute Umfang der Untersuchung ihr den
Charakter einer Fallstudie verleiht. Die Ergebnisse sind somit nicht als repräsentativ,
sondern in ihrer Tendenz als aussagekräftig zu betrachten.
Die empirische Untersuchung zeigte, dass die Investoren in Bezug auf ihren
Branchenhintergrund, die Investorenstruktur, das Volumen der Investition und
die Investitionsmotive zwischen, aber auch innerhalb der verglichenen Gruppen
sehr heterogen sind. Allerdings verfügte die Mehrheit der Investoren über einen
landwirtschaftlichen Hintergrund und entsprach somit der Definition eines internationalen
landwirtschaftlichen Unternehmens. Besonders in dieser Gruppe der internationalen landwirtschaftlichen Unternehmen
fanden sich die aus Praxisbeispielen und Literatur abgeleiteten Motivationen für
die Internationalisierung als Reaktion auf die schlechten Wachstumsmöglichkeiten
in den Herkunftsländern bzw. die als positiv bewerteten Standortfaktoren
im Gastland, wieder. Zusätzlich wirkten weitere, häufig nichtökonomische Motive
auf die Internationalisierungsentscheidung ein. Wichtig ist in diesem Kontext,
dass die betrachteten landwirtschaftlichen Unternehmen überwiegend am Anfang
des Internationalisierungsprozesses standen, d. h. die Investition in die Ukraine den
ersten Schritt zur Internationalisierung darstellte. Auffällig war, dass der Anstoß
zur Investition häufig ein zufälliges Element enthielt bzw. von außen kam und der
Investition keine ausreichende Standortanalyse vorausging.
Die Ergebnisse der Fallstudie legen in Kombination mit den zahlreichen Praxisbeispielen
aus anderen Ländern nahe, dass internationale landwirtschaftliche
Unternehmen in Europa als gegeben und gleichzeitig als relevantes Forschungsthema
bezeichnet werden können. Anhand der Fallstudie zeigt sich auch auf einzelbetrieblicher
Ebene, dass die agrarstrukturellen Gegebenheiten und die Rahmenbedingungen
in den Herkunfts- und Zielländern über die Investitionsmotive und
die Art der Investition Einfluss auf die Investitionsentscheidung haben. Aus diesem
Grund ist anzunehmen, dass die Betrachtung von ADI aus anderen Herkunftsländern
und/oder in andere Zielländer ein anderes Bild ergeben könnte, das in
der Konsequenz ebenso Unterschiede in den Motiven für die Investition wie auch
in deren Art impliziert.
Problematisch ist aber sowohl im Hinblick auf die vorgenommene als auch auf
weitere Untersuchungen die Datenverfügbarkeit auf aggregierter und insbesondere
auf einzelbetrieblicher Ebene. Notwendig wäre eine statistische Erfassung landwirtschaftlicher
Unternehmen, die in anderen Ländern geschäftlich aktiv sind bzw.
einen/mehrere landwirtschaftliche Betriebe bewirtschaften, und grundlegender
Indikatoren in den Herkunftsländern der Investoren, hier in der EU. Dies würde
die Einordnung der Bedeutung internationaler landwirtschaftlicher Unternehmen
und die Untersuchung angewandter Fragestellungen wie Managementmodelle,
Nachhaltigkeit und Erfolg solcher Investitionen ermöglichen.