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Abstract

Viele Europäer sehen in landwirtschaftlichen Nutztieren nicht mehr nur eine Ressource, sondern betrachten sie als Entitäten mit eigenen Interessen. Diese seit einigen Jahren zu beobachtende Einstellungsänderung lässt sich als Umbildungsprozess hin zu einer pathozentrischen Gesellschaft interpretieren. Unklarheit herrscht allerdings darüber, welche konkreten menschlichen Verpflichtungen sich aus dem moralischen Status von Tieren für ihre Haltung, den Transport oder die Tötung ergeben. Vor diesem Hintergrund wird die Einführung eines staatlichen Tierwohllabels in vielen Ländern und auch auf europäischer Ebene diskutiert, um die Lebensbedingungen von Nutztieren zu verbessern. Die Entscheidung, den Markt als vornehmliche Institution gesellschaftlicher Willensbildung für die moralische Frage des wünschenswerten Umgang mit Tieren zu wählen, ist nicht frei von normativen Annahmen, darüber, wessen Interessen zu berücksichtigen sind, welches ethische Wertkonzept zu bevorzugen ist und wie sich einheitliche Wertvorstellungen in einer Gesellschaft herausbilden. Es kann gezeigt werden, dass die Verwendung eines Labels keine institutionelle Veränderung darstellt, die es erlaubt, Nutztiere gleichermaßen um ihrer selbst Willen zu berücksichtigen, sondern in der anthropozentrischen Perspektive verhaftet bleibt. Der Wertmonismus des Marktes kann rechtsbasierte Wertannahmen nicht widerspiegeln, der Markt entbindet zudem Individuen von der Notwendigkeit ihre Wertvorstellungen zu begründen und auf dieser Basis Rechte und Pflichten neu zu verteilen. Die Nachfrage nach tierwohlgelabelten Produkten kann daher nur in sehr begrenzter Weise die Werthaltung der Bevölkerung zu Tierschutz fragen widerspiegeln. Ein Label kann nicht von einer fundamentalen gesellschaftlichen Wertdebatte über den Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren entlasten.

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