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Abstract
Zusammenfassung
Die deutsche Landwirtschaft unterliegt einem starken Strukturwandel, der sich vor allem in einer
stark abnehmenden Anzahl der landwirtschaftlichen Unternehmen bei gleichzeitig steigender
Größe der verbleibenden Unternehmen zeigt. Diese Veränderungen, die betriebliche und regionale
Konzentrationstendenzen beinhalten, werden gesellschaftlich und politisch zunehmend diskutiert.
Die infolge von Teilungen, Übernahmen und Neugründungen entstehenden komplexeren
Unternehmensstrukturen sind aus den Offizialstatistiken nicht zu entnehmen. Gleichwohl ist deren
Kenntnis eine wichtige Voraussetzung für Struktur- und Einkommensanalysen in der Landwirtschaft
sowie für die sektorale Politikberatung und -gestaltung.
Aus diesem Grund untersucht das Thünen-Institut in einem aktuellen Forschungsprojekt die Betriebs-
und Unternehmensstrukturen in der deutschen Landwirtschaft und deren maßgebliche
Einflussfaktoren. Zu diesem Zweck werden der verfügbare Datenbestand ausgewertet, Experten
aus den Bereichen Agrarstatistik, Betriebs- und Steuerberatung, Finanzierung etc. befragt sowie
anhand von regionalen Fallstudien eigene empirische Erhebungen durchgeführt. Nach ersten
Arbeitsschritten im Projekt wurden im Oktober 2014 zahlreiche Experten zu einem Workshop in
Braunschweig eingeladen, um erste Ergebnisse und offene Fragen zu diskutieren. Dabei wurde
zunächst eine regionale Pilotstudie des Thünen-Instituts zu Betriebsstrukturen in der Landwirtschaft
vorgestellt. Anschließend wurden weitere Beiträgen aus den Bereichen Agrarstatistik,
Steuer- und Unternehmensberatung, sowie eine wissenschaftliche Analyse der Einkommenskombinationen
in der Landwirtschaft präsentiert und diskutiert. In drei Arbeitsgruppen wurden
dann die aktuelle Situation und die künftigen Möglichkeiten der Erfassung der Betriebs- und Unternehmensstrukturen
in der deutschen Landwirtschaft erörtert und abschließend im Plenum
zusammengefasst.
Im vorliegenden Working Paper wird zunächst dargestellt, welche projektrelevanten Informationen
aus der amtlichen Agrarstatistik sowie aus anderen Datenquellen gewonnen werden können.
Im Anschluss daran, werden die Beiträge und Ergebnisse des Workshops zusammengefasst und
darauf aufbauend Schritte für die weitere Vorgehensweise im Untersuchungsprojekt abgeleitetEine wichtige Grundlage für die Diskussion über Unternehmensstrukturen in der Landwirtschaft
liegt in der Begriffsklärung für das häufig in der Praxis zu findende Konstrukt von mehreren landwirtschaftlichen
oder landwirtschaftsnahen Unternehmen im Rahmen eines Familienverbundes.
Für diese Gruppe von Unternehmen, bei der die Unternehmen wirtschaftlich (im Rahmen der
Familie) zusammengehören, aber rechtlich getrennt sind, fehlt bislang ein konkreter Terminus.
Nach Rücksprache mit Experten bezeichnen wir dieses Konstrukt im vorliegenden Arbeitsbericht
mit dem Begriff „Unternehmensgruppe im Familienverbund“.
Verfügbare Statistiken zu Betriebs- und Unternehmensstrukturen in der Landwirtschaft
Im Rahmen des Projektes werden neben den Informationen aus der amtlichen Agrarstatistik die
Möglichkeiten einer Nutzung von verschiedenen Verwaltungsdaten geprüft, um weitere Informationen über die in der Praxis vorherrschenden Betriebs- und Unternehmensstrukturen zu gewinnen.
Bei den Daten der amtlichen Agrarstatistik handelt es sich im Wesentlichen um solche, die auf
Vorgaben auf EU-Ebene beruhen. Dazu zählen u. a. die Landwirtschaftszählung (LZ) und die Agrarstrukturerhebung
(ASE). Die dabei zugrunde liegende Erhebungseinheit ist der landwirtschaftliche
Betrieb als wirtschaftlich-technische Einheit. In einigen Bundesländern, wie z.B. in Niedersachsen
und Schleswig-Holstein, werden bei Vorhandensein von mehreren rechtlich selbständigen
Betrieben im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit auch Teilbetriebe erhoben, die zusammen
mit dem Hauptbetrieb zu einem Gesamtbetrieb aggregierbar sind. Da gewerbliche Betriebe
mit Ausnahme des Bereichs Tierhaltung nicht erfasst werden, liegen zu landwirtschaftsnahen
Einkommenskombinationen nur sehr eingeschränkt Daten vor.
Die bislang geprüften Verwaltungsdaten umfassen Daten der Sozialversicherung für Landwirtschaft,
Forsten und Gartenbau (SVLFG), der Niedersächsischen Tierseuchenkasse, des Integrierten
Verwaltungs- und Kotrollsystems (InVeKoS) zur Abwicklung und Kontrolle von Zahlungen im
Rahmen der EU-Fördermaßnahmen sowie das Herkunftssicherungs- und Informationssystem für
Tiere (HIT). Zahlreiche Expertengespräche ergaben, dass diese Datenquellen keine wesentlichen
zusätzlichen Informationen zu denen der amtlichen Agrarstatistiken liefern können. Gründe hierfür
sind inhaltliche, datenschutzrechtliche und auch technische Hürden.
Pilotstudie in drei niedersächsischen LandkreisenIn den drei niedersächsischen Landkreisen Peine, Nienburg und Vechta mit sehr unterschiedlichen
landwirtschaftlichen Produktionsstrukturen wurde vom Thünen-Institut eine Pilotstudie
durchgeführt. Dabei konnte mit Hilfe von Experteninterviews gezeigt werden, dass z. T. erhebliche
Unterschiede zwischen den tatsächlichen Betriebs- und Unternehmensstrukturen und den
Informationen aus den amtlichen Agrarstatistiken bestehen. So werden in dem viehstarken Landkreis
Vechta häufig mehrere Unternehmen im Familienverbund gehalten. In den meisten Fällen
ist dies eine Folge der Teilung oder Neugründung von Unternehmen, die sich durch Anpassung an
steuerliche Regelungen ergeben, um Vorteile der steuerlichen Zuordnung zur Landwirtschaft zu
erhalten. Besonders hervorzuheben sind hier die gestaffelte Vieheinheitenregelung sowie die
Einordnung von Energieerzeugung und anderer landwirtschaftsnaher Diversifizierungsaktivitäten
(ab bestimmten Größenordnungen) als Gewerbe. Dies führt in allen drei Landkreisen zu einer
Vielschichtigkeit der vorherrschenden Strukturen der Gesamtunternehmen, welche nicht durch
die verfügbaren Agrarstatistiken wiedergegeben werden kann.
Die weiteren Workshop-Beiträge von externen Referenten umfassen folgende Blickwinkel: (a)
Steuerrecht, (b) Praxis der Unternehmensberatung, (c) Agrarstatistik und (d) Einkommenskombinationen
in Bayern.
(a) Komplexere Unternehmensstrukturen durch steuerrechtliche Anpassungen
Der erste Beitrag von Marcel Gerds (StB) hat den Titel „Wesentliche Einflussfaktoren für die zunehmende
Komplexität der landwirtschaftlichen Unternehmensstruktur – Schwerpunkt Steuerrecht“. Nach seiner Einschätzung kommt die Teilung eines landwirtschaftlichen Unternehmens in
mehrere organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich getrennte Einheiten in der Praxis häufig vor.
Dabei kann die Aufteilung von Unternehmen verschiedene Gründe haben, die sowohl dem steuerlichen
als auch dem außersteuerlichen Bereich zuzuordnen sind. Als wesentliche steuerliche
Motive nennt er (a) die Steuerersparnis bei der Einkommensteuer durch Progressionsabschwächung,
(b) die Vermeidung von Gewerblichkeit durch Ausgliederung von Aktivitäten und (c) die
Mehrfachnutzung von Vorteilen kleiner Einheiten (z. B. Freibeträge, Sockelförderung). Die einzelnen
Aspekte wurden jeweils differenziert dargestellt. Bei den außersteuerlichen Gründen, die zu
einer Unternehmensteilung führen können, werden die räumlich-geografische Trennung, Zahlungen
der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) , Regelungen des Haftungs- und Baurechts, die Investitionsförderung
sowie die schrittweise Unternehmensübergabe genannt.
Herr Gerds stellt fest, dass viele Unternehmen nur aus steuerlichen Gründen bestünden und daher
in der Statistik ein verzerrtes Bild der Agrarstruktur entstehe. Diese Kenntnislücken im Bereich
der Betriebsstrukturen hätten Auswirkungen auf die Möglichkeiten, die Einkommenssituation
land- und forstwirtschaftlicher Unternehmen zutreffend zu erfassen. Er sieht neben zahlreichen
Vorteilen der Anpassung an die rechtlichen Rahmenbedingungen aber auch die Gefahr, dass
insbesondere steuerrechtlich initiierte Unternehmensteilungen derart komplex und aufwändig
werden könnten, dass dies zu Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors führen
könnte.
(b) Praktische Relevanz von komplexeren Unternehmensstrukturen in der Landwirtschaft
Für das Land Mecklenburg-Vorpommern stellt Monika Berlik (LMS Agrarberatung) die strukturellen
Veränderungen im letzten Jahrzehnt in aggregierter Form und anhand von unterschiedlich
strukturierten Fallbeispielen aus der Beratungspraxis dar. Aus ihrer Sicht haben sich in den letzten
20 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere in der Kombination von landwirtschaftlichen
und gewerblichen Unternehmen, z. T. komplexe und vielseitige Unternehmensstrukturen
entwickelt. Deutliche Zunahmen sind v. a. bei den Rechtsformen Kommanditgesellschaft
(KG, GmbH&Co.KG) und GmbH zu beobachten, während sowohl viele kleine Nebenerwerbsbetriebe Nebenerwerbsbetriebe
in Form von Einzelunternehmen als auch zahlreiche Agrargenossenschaften die selbständig
betriebene Landwirtschaft aufgaben. Durch Anpassungen an veränderte Rahmenbedingungen
und betriebliche Situationen sind unter dem Einfluss von Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung
gesellschaftsrechtliche Unternehmensstrukturen entstanden, die sich an den Strukturen in
der gewerblichen Wirtschaft orientieren. Um die entstandenen Strukturen zu verstehen, sind die
Betrachtung der Ausgangssituation, des steuerlichen Zusammenspiels von Landwirtschaft und
Gewerbe sowie die Analyse der handelnden Personen und Eigentümer erforderlich. Anhand von
vier Praxisbeispielen mit zunehmendem Komplexitätsgrad zeigt Frau Berlik, welche Anforderungen
sich daraus für die Agrarstatistik ergeben können.
(c) Erfassung landwirtschaftlicher Betriebe in der amtlichen Agrarstatistik
Der Beitrag von Torsten Blumöhr (StBA) beschäftigt sich mit der Erfassung landwirtschaftlicher
Betriebe in der amtlichen Agrarstatistik. Das Betriebsregister Landwirtschaft ist dabei die zentrale Grundlage für agrarstatistische Erhebungen. Es enthält sämtliche Betriebe mit Angaben zu Hilfs-
(Name, Adresse) und Fachmerkmalen (z. B. Flächen, Tierzahlen). Dieses Register wird durch das
Einpflegen von Verwaltungsdaten und Primärerhebungen ständig aktualisiert und qualifiziert. Die
Definition des Betriebs in statistischen Sinn ist dabei im EU-Recht und im nationalen Agrarstatistikgesetz
geregelt. Ein Betrieb ist danach eine technisch-wirtschaftliche Einheit mit einer einheitlichen
Betriebsführung. In der Regel entspricht der Betrieb einer eigenständigen Rechtsperson
und einer Einheit, an welche die Verwaltungskennnummern aus diversen Verwaltungsdatenquellen
gekoppelt sind. Steuerliche Zu-/Einordnungen sind dagegen nicht relevant. Die Betriebe werden
in der Agrarstatistik nach dem Betriebssitz lokalisiert, d. h. auf dem Grundstück, wo sich die
(wichtigsten) Wirtschaftsgebäude befinden. Bis auf einige Sonderfälle werden sämtliche Flächen
und Tiere auf den Betriebssitz konsolidiert.
Seit 2014 wird ein zweistufiges Einheitenmodell mit den Ebenen Betrieb (Erhebungseinheit) und
Gesamtbetrieb (Darstellungseinheit) verwendet, um die Betriebsstrukturen in agrarstatistischen
Berichten darzustellen. Dies dient u. a. einer realitätsnäheren Abbildung z. B. von rechtlich getrennten,
aber wirtschaftlich nicht autonomen Einheiten (z. B. Betriebsverflechtungen). Allerdings
ist die Bildung von Gesamtbetrieben aus Betrieben für die statistischen Ämter optional und
wird von diesen in unterschiedlichem Maß genutzt.
Die in den Agrarstatistiken gewählten Definitionen und Abgrenzungen können im Hinblick auf
bestimmte Fragestellungen (z.B. landwirtschaftlicher Haushalt, Einkommenskombinationen) zu
Problemen führen. Der Fokus liegt ausschließlich auf dem landwirtschaftlichen Betrieb, unabhängig
davon, wie eng dieser mit zusätzlichen selbständigen nichtlandwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen
Betrieben verbunden ist.
(d) Erfassung der Einkommenskombinationen landwirtschaftlicher Unternehmen in Bayern
Frau Weinberger-Miller (LfL) geht der Frage nach, welche Bedeutung Einkommenskombinationen
(EKK) in landwirtschaftlichen Unternehmen und Haushalten in Bayern tatsächlich, d. h. auch unter
Berücksichtigung der gewerblich geführten Standbeine, haben. Gewerblich geführte Betriebszweige
entstehen, wenn die EKK in ihrem Umfang, ihrer Art oder in ihrer Intensität Gewerblichkeitsgrenzen
überschreitet. Diese werden nicht in der amtlichen Agrarstatistik erfasst. Zu diesem
Zweck hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) zeitgleich mit der LZ 2010 eine
zusätzliche Erhebung zu EKK durchgeführt. Beim Vergleich der ermittelten Daten mit denen der
LZ 2010 differiert insbesondere die Häufigkeit von EKK. Während die LZ den Anteil von Betrieben
mit EKK auf 38,5 % beziffert, weist die zeitgleich durchgeführte Bestandsaufnahme der LfL (rund
1.000 auswertbare Fragebögen) einen Anteil von 61,1 % auf. Dabei handelt es sich bei knapp
55 % der Betriebe um Gewerbetriebe im Diversifizierungsbereich. In der LZ 2010 betreiben aufgrund
der Abgrenzung zu gewerblichen Diversifizierungsaktivitäten lediglich 17 % der bayerischen
Betriebe EKK im Bereich der erneuerbaren Energien, die steuerlich als Nebenbetrieb der Landwirtschaft
ohne eigene Buchführung eingeordnet sind. Auf Basis der Daten der LfL-Erhebung engagieren
sich dagegen 41 % aller befragten Betriebe in der Energieproduktion, wobei dies fast
alle (95 %) in Form eines separaten Gewerbebetriebes tun. Oftmals haben die Betriebe sogar mehrere EKK-Geschäftsbereiche, bei denen der Betrieb von Fotovoltaikanlagen besonders häufig
vorkommt.
Es konnte mit der LfL-Erhebung gezeigt werden, dass sich bei einem direkten Vergleich von Daten
der Agrarstatistik mit denen der Bestandsaufnahme z.T. erhebliche Differenzen, insbesondere in
Bezug auf die Häufigkeit von EKK, ergeben. Vielfach dürften die Unterschiede zwischen den Erhebungen
auf Abgrenzungsprobleme der EKK und der landwirtschaftlichen Urproduktion zurückzuführen
sein.
Ergebnisse der drei Arbeitsgruppen (AG)
In der ersten AG wurde die Bedeutung von Unternehmensverbindungen in der Praxis diskutiert.
Nach Ansicht der Experten (v. a. Steuer-, Unternehmensberatung, Banken) sind Unternehmensverbindungen
in der Praxis die Regel. Allerdings beziehen sich die Einschätzungen nur auf Entwicklungen
im Nordwesten und im Osten Deutschlands sowie auf tendenziell größere Unternehmen,
welche die Dienstleistungen der Experten in Anspruch nehmen. Wenn PV-Anlagen unberücksichtigt
bleiben, schätzen die Experten den Anteil der landwirtschaftlichen Unternehmen mit
mindestens zwei Teilunternehmen (mit eigener Buchführung) auf 50 % bis 60 %. Die Struktur dieser
Verbindungen ist jedoch in der Regel nicht als komplex zu bezeichnen, da sich die Unternehmen
zum überwiegenden Teil lediglich aus zwei oder drei Landwirtschafts- oder landwirtschaftsnahen
Teilunternehmen zusammensetzen. Die Experten sehen deutliche Abweichungen zwischen
den Unternehmensstrukturen in der Praxis und den in der Agrarstatistik abgebildeten Strukturen.Die steigende Anzahl und veränderte Form der Unternehmensverbindungen resultiert nach Ansicht
der Experten vor allem aus Veränderungen in den Bereichen Energieerzeugung (EEG) und
Tierhaltung in den letzten Jahren. In einigen Bereichen der Landwirtschaft (v. a. Veredlungswirtschaft)
herrschen teilweise wenig transparente Strukturen, sodass die Eigentums-, Beteiligungsund
Einflussverhältnisse nicht genau bekannt sind. In den neuen Ländern entwickeln sich bei vielen
juristischen Personen im Zuge des Generationswechsels neue Beteiligungsverhältnisse, wobei
überwiegend Investoren aus der Landwirtschaft aktiv sind. Insgesamt sehen die Experten derzeit
keine Zunahme der Konzentration durch horizontale und vertikale Kooperationen.
In der zweiten AG wurde die Aussagekraft der amtlichen Agrarstatistik – Landwirtschaftszählung
(LZ), Agrarstrukturerhebung (ASE) – und der Testbetriebsstatistik im Hinblick auf die realen Betriebs-
und Unternehmensstrukturen diskutiert. Die Experten stimmten überein, dass sowohl die
Agrarstatistik als auch die Testbetriebe Strukturen von Unternehmensverbünden unvollständig
erfassen. Die wesentlichen Gründe bei der Agrarstatistik sind die fehlende Erhebung von gewerblichen
landwirtschaftsnahen Standbeinen und die eingeschränkte Erfassung von rechtlich selbständigen
Betrieben im Familienverbund. Da alle Inhalte der amtlichen Agrarstatistik durch die
Politik und Rechtsgrundlagen vorgegeben werden, müssten aus Sicht der anwesenden Statistiker
Anpassungen bestehender Erhebungen auf EU-Ebene initiiert werden. Das neu programmierte Betriebsregister Landwirtschaft wird in den nächsten Jahren (auf jeden Fall bis zur nächsten LZ)
nicht verändert.
Für eine bessere Erfassung der Unternehmensverbindungen im Testbetriebsnetz wären nach Einschätzung
der Experten deutlich mehr Finanzmittel zur Kompensation der Zusatzkosten durch die
Erstellung von konsolidierten Gesamtbilanzen erforderlich. Der Konflikt zwischen höherem Zeitbedarf
der Buchstellen für die Konsolidierung und Verkürzung der Frist zur Übermittlung der Daten
für das FADN müsste aufgelöst werden. Die erhöhten Anforderungen dürften wegen der
Freiwilligkeit der Teilnahme am Testbetriebsnetz zu Problemen der Aussagekraft (Repräsentativität)
der Daten führen. Zu deren Verbesserung werden seit dem Wirtschaftsjahr 2012/2013 zusätzliche
Informationen zu landwirtschaftsnahen gewerblichen Tätigkeiten erfasst.
Die dritte AG befasste sich damit, inwieweit unternehmensstrukturelle und einkommensbezogene
Entwicklungen in der Landwirtschaft statistisch überhaupt erfasst werden können. Die Experten
sehen vor allem definitorische und Abgrenzungsprobleme. Am Beispiel der Erzeugung erneuerbarer
Energien (z. B. Biogas) wird deutlich, dass zwischen dem Betreiben einer eigenen Anlage
und der reinen Kapitalbeteiligung an einer gemeinschaftlich betriebenen Biogasanlage ein großer
Unterschied besteht, der zu Abgrenzungsproblemen führt. Wenn aus inhaltlichen Gründen der
Unternehmerhaushalt und nicht der Betrieb im Mittelpunkt steht, wären andere Variablen zu
erfassen.. Die Wahl der Bezugsebene setzt in erster Linie die Klärung der Fragen seitens der Politik
voraus, was mit Hilfe der Statistik analysiert werden soll (z. B. Einkommen in der Landwirtschaft
oder Einkommenslage der landwirtschaftlichen Haushalte) und was mithin Verantwortungs-
und Gestaltungsbereich der Politik ist bzw. sein soll. In jedem Fall, sei es im Rahmen einer
Erweiterung der vorhandenen Erhebungen oder ergänzender neuer Erhebungen, würden Mehrkosten
anfallen, für die keine Mittel vorhanden sind.Die Konsolidierung von Jahresabschlüssen zur Darstellung der wirtschaftlichen Gesamtsituation
einer Unternehmensgruppe im (Familien-)Verbund ist aus Sicht der Experten aufwändig und derzeit
in der Praxis nur wenig verbreitet. Gegenwärtig sind Unternehmensverbunde nicht für das
Testbetriebsnetz vorgesehen. Diese werden meist im Vorfeld aussortiert. Die Aussagekraft des
Testbetriebsnetzes ist dadurch insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage von größeren
und gewinnstarken Gesamt-Unternehmen deutlich eingeschränkt.
Fazit
Der Expertenworkshop bestätigte, dass die Zunahme an landwirtschaftlichen Unternehmensverbunden,
die durch Teilungen, Fusionen oder Neugründungen im Rahmen von Familien oder Unternehmenspartnern
entstehen, für sektorale Analysen und Aussagen relevant ist. Vor allem
steuerliche Regelungen (Abgrenzung von Landwirtschaft und Gewerbe, z.B. durch Vieheinheitengrenzen)
führen zu komplexeren Unternehmensstrukturen. Diese können aufgrund der geltenden
Rechtsvorgaben für die amtliche Agrarstatistik nur unvollständig erfasst werden. Für die Darstellung
der Einkommenslage in der Landwirtschaft mit Hilfe des Testbetriebsnetzes ergeben sich
ebenfalls Lücken, insbesondere hinsichtlich wachstumsorientierter größerer Unternehmen mit den Schwerpunkten tierische Veredlung und landwirtschaftsnahe Einkommenskombinationen.
Auf dem Workshop wurde außerdem deutlich, dass es entscheidend ist, die Begriffe Betrieb, Unternehmen,
Unternehmensgruppe usw. zu definieren und abzugrenzen. Insbesondere bei der
Festlegung des in Abhängigkeit vom Nutzungsziel relevanten Konsolidierungskreises besteht jedoch
noch weiterer Diskussions- und Forschungsbedarf. Da Veränderungen bei den Inhalten der
Datenerhebung sehr gut begründet und präzise vorgetragen werden müssen, sind empirische
Belege anhand von (weiteren) regionalen Fallstudien sinnvoll.