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Abstract

Zusammenfassung Hintergrund und Ziele der Studie Seit 1990 ist in Deutschland ein stetiger Zuwachs im Ökolandbau zu verzeichnen. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche hat sich mehr als verzwölffacht und die Anzahl der Betriebe mehr als versiebenfacht. Ende 2011 wurden erstmals mehr als eine Million Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche von insgesamt 22.506 Betrieben ökologisch bewirtschaftet. Angesichts der steigenden Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten ist in den kommenden Jahren ein weiteres Wachstum zu erwarten. Die oben genannten Zahlen geben die tatsächliche Wachstumsdynamik im ökologischen Landbau allerdings nur bedingt wieder. Sie stellen lediglich den Nettoeffekt dar, der sich aus der Differenz zwischen Neuumstellern und Aussteigern aus der ökologischen Landwirtschaft ergibt. Die Gruppe der Aussteiger stand bisher wenig im Fokus der öffentlichen Diskussion, was angesichts des positiven Nettoeffekts durchaus nachvollziehbar ist. Dementsprechend gab es bislang wenig detaillierte Informationen zu den Ausstiegen aus dem Ökolandbau. Die Daten der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) zu den jährlichen Abmeldungen bei den bundesweit tätigen Kontrollstellen eignen sich für eine entsprechende Analyse nur bedingt, da ein Kontrollstellenwechsel und betriebliche Änderungen wie Besitzerwechsel oder Betriebsteilungen in die Statistik ebenso einfließen wie ein Ausstieg aus der ökologischen Landwirtschaft. Unklar ist zudem, wie viele der gemeldeten Aussteiger die Landwirtschaft vollständig aufgeben, wie viele zur konventionellen Bewirtschaftung zurückkehren und was die Gründe dafür sind.Die hier beschriebenen Informationslücken zu schließen und Ansatzpunkte zur Vermeidung von Rückumstellungen aufzuzeigen, waren die Ziele der vorliegenden Arbeit. Ausgangspunkt hierfür war die Überlegung, dass für die politisch erwünschte Ausdehnung des ökologischen Landbaus nicht nur weitere Neueinsteiger, sondern auch möglichst wenige Rückumsteller erforderlich sind. Methodisches Vorgehen Aufbauend auf einer Auswertung der internationalen Literatur zu Ausstiegen aus dem ökologischen Landbau wurden im Rahmen dieser Arbeit folgende Analysen durchgeführt: Befragung von Experten des ökologischen Landbaus zum Thema Ausstiege aus dem ökologischen Landbau und Möglichkeiten zu deren Vermeidung. Ergänzt wurde di eser Schritt um die Auswertung von Daten ökologischer Anbauverbände zu rückumgestellten ehemaligen Mitgliedsbetrieben.Auswertung der Daten des Statistischen Bundesamtes zur Ermittlung der quantitativen Bedeutung von Ausstiegen aus dem ökologischen Landbau im Zeitraum 2003 bis 2010. Dabei wurde zwischen Betrieben, die komplett aus der Landwirtschaft ausgeII Zusammenfassung schieden sind und solchen, die auf eine konventionelle Bewirtschaftung rückumgestellt haben, unterschieden. Bundesweite schriftliche Befragung aller landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, die sich zwischen 2003 und 2009 von der EU-Ökokontrolle abgemeldet hatten. Aus den Rückläufen der Fragebögen konnten zwei Datensätze gebildet und ausgewertet werden: Ein Datensatz mit 338 Betrieben, die mit dem Ausstieg aus dem Ökolandbau den Betrieb vollständig aufgegeben haben, sowie ein Datensatz mit 388 ehemaligen Ökobetrieben, die zum konventionellen Landbau zurückgekehrt sind. Persönlich geführte, problemzentrierte Interviews mit 29 Betriebsleitern, bei denen die Gründe für die Rückumstellung sowie die damit einhergehenden Entscheidungsprozesse im Mittelpunkt standen.Die Untersuchungsergebnisse wurden in vier regionalen Workshops mit Praktikern und Experten des ökologischen Landbaus aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Administration reflektiert. Darauf aufbauend wurden mögliche Ansatzpunkte zur Vermeidung von Rückumstellungen abgeleitet. Die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Arbeit werden im Folgenden dargestellt. Ausstiege aus dem Ökolandbau bislang kein Thema In der Forschung gibt es bisher nur sehr wenige Arbeiten, die sich mit dem Ausstieg aus dem ökologischen Landbau beschäftigt haben. Im Rahmen der Recherchen wurden lediglich fünfzehn Untersuchungen zu diesem Thema in sechs EU-Ländern (Dänemark, Estland, Großbritannien, Irland, Italien und Österreich) sowie in Norwegen, der Schweiz und den USA identifiziert. Die Ergebnisse dieser Arbeiten weisen darauf hin, dass für viele Landwirte eine Umstellung auf ökologischen Landbau keine unumstößliche Grundsatzentscheidung ist und eine Rückumstellung erfolgt, falls die ökonomischen Erwartungen nicht erfüllt werden, die Erfahrungen mit der Kontrolle und Zertifizierung mehrheitlich negativ sind oder produktionstechnische Probleme der ökologischen Bewirtschaftung nicht zufri edenstellend gelöst werden können.Auch die Verbände des ökologischen Landbaus sowie staatliche Institutionen haben sich bisher nicht oder nur am Rande mit dem Thema des Ausstiegs aus der ökologischen Landwirtschaft beschäftigt, wie die Ergebnisse der Expertenbefragung zeigen. Die in den letzten beiden Jahrzehnten insgesamt positive Entwicklung des ökologischen Landbaus in Deutschland hat den „Blick hinter die Zahlen“ offenbar mehrheitlich nicht erforderlich gemacht. Die zu diesem Thema befragten Experten vertraten überwiegend die Ansicht, dass Ausstiege aus der ökologischen Produktion vor allem im Kontext strukturwandelbedingter Betriebsaufgaben stattfinden. Eine Rückumstellung auf eine konventionelle Produktion beschränke sich hingegen auf wenige Einzelfälle, die vor allem im Zusammenhang mit der Bioenergieproduktion bzw. zunehmendem Flächenmangel, hohen Pachtpreisen und wirtschaftlich attraktiveren Einkommensmöglichkeiten stünden.Etwa 5 Prozent der Ökobetriebe steigen jährlich aus Im Gegensatz zu den Experteneinschätzungen verdeutlichen die Daten der Agrarstrukturerhebungen und der Landwirtschaftszählung, dass in den letzten Jahren in Deutschland eine nicht unerhebliche Anzahl an Betrieben aus der ökologischen Produktion ausgesti egen ist. Gemäß den Auswertungen der statistischen Daten wurden zwischen 2003 und 2010 jährlich 191 Betriebe bzw. 1,4 Prozent der ökologisch bewirtschafteten Betriebe aufgegeben. Darüber hinaus gingen im Durchschnitt 415 Betriebe bzw. 3,3 Prozent der Ökobetriebe pro Jahr durch eine Rückumstellung auf eine konventionelle Wirtschaftsweise verloren. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Betriebsaufgaben und Rückumstellungen den Nettozuwachs im ökologischen Landbau deutlich vermindern. Statistisch gesehen standen zwischen 2003 und 2010 jedem Neuumsteller 0,4 Rückumsteller und 0,2 Betriebsaufgeber gegenüber. Es zeigt sich allerdings auch, dass, anders herum betrachtet, jedes Jahr etwas mehr als 95 Prozent der Ökobetriebe an der ökologischen Bewirtschaftung festhalten. Betriebsaufgaben führen zu Flächenverlusten im Ökolandbau Dass Ökobetriebe die landwirtschaftliche Produktion strukturwandelbedingt einstellen, ist keine neue Erkenntnis. Bemerkenswert ist allerdings der Umstand, dass mit 1,4 Prozent die jährliche Aufgaberate zwischen 2003 und 2010 im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft mit 2,7 Prozent deutlich geringer ausfiel. Dieser Unterschied ist jedoch vermutlich nicht ausschließlich auf das Bewirtschaftungssystem, sondern auch auf andere Faktoren (beispielsweise eine unterschiedliche Altersstruktur) zurückzuführen. Dass Betriebsaufgaben im ökologischen Landbau dem Ziel einer Ausweitung dieser Wirtschaftsweise entgegenwirken, offenbart die Analyse über den Verbleib der Flächen der ehemal igen Ökobetriebe. Gemäß der bundesweiten Befragung der aufgegebenen Ökobetriebe wurden 61 Prozent der Flächen von konventionell bewirtschafteten Betrieben übernommen und gingen somit dem ökologischen Landbau verloren. Bezogen auf alle zwischen 2003 bis 2010 aufgegebenen Ökobetriebe wäre dies eine Fläche von rund 27.000 Hektar.Gründe für die Betriebsaufgabe mehrheitlich nicht öko-spezifisch Wie zu erwarten, gibt es auch im ökologischen Landbau einen Zusammenhang zwischen der Betriebsaufgabe und der Erwerbsform, der Betriebsgröße sowie dem Alter des Betriebsleiters. So kommen überdurchschnittlich hohe Aufgaberaten bei den Nebenerwerbsbetrieben, in flächenarmen Betrieben (< 20 ha LF) und bei Betriebsleitern über 65 Jahren vor. Wie die Auswertung der Strukturdaten zeigt, sind es vor allem Obst - und Gartenbaubetriebe sowie Schaf- und Ziegenbetriebe, die mit der Produktion aufhören, während vollständige Betriebsaufgaben unter den Milchviehbetrieben relativ selten vorkommen. Die Ergebnisse der bundesweiten Befragung zeigen, dass die Aufgabe der Ökobetriebe vor allem aus ökonomischen Gründen erfolgt. Die befragten Betriebsleiter stuften die wirtschaftliche Basis ihrer Betriebe als nicht ausreichend ein und bezeichneten diese als für eine Weiterführung zu klein. Gründe, die speziell mit dem ökologischen Landbau im Zusammenhang stehen, waren für die Aufgabe des Betriebes von untergeordneter Bedeutung. Aufgegebene und rückumgestellte Betriebe ähneln sich Wie eingangs beschrieben gab die Mehrzahl der aus dem Ökolandbau ausgestiegenen Betriebe die landwirtschaftliche Produktion nicht vollständig auf, sondern bewirtschaftete den Betrieb konventionell weiter. Anhand der Daten aus der Agrarstrukturerhebung zeigt sich, dass es hinsichtlich der Betriebsstruktur zwischen den beiden Gruppen einige Parallelen gibt. Wie bei den aufgegebenen Betrieben war der Anteil der Rückumsteller relativ hoch bei Schaf- und Ziegenbetrieben. Relativ stark betroffen waren auch Rindermastbetriebe, während Betriebe mit Schwerpunkt Feldgemüse- und Kartoffelanbau eher selten auf eine konventionelle Wirtschaftsweise rückumstellten. Ferner handelte es sich bei den Rückumstellern mehrheitlich um Nebenerwerbsbetriebe. Auch bei der Flächenausstattung gibt es eine Parallele zu den Betriebsaufgaben: Rückumstellungen kommen in flächenarmen Betrieben deutlich häufiger vor. Allerdings trugen die flächenarmen Betriebe unterdurchschnittlich zu den Flächenverlusten bei. So machten flächenstarke Betriebe (> 200 ha LF) zwischen 2003 und 2010 weniger als 4 Prozent der rückumgestellten Betriebe aus, nahmen aber einen Anteil an der rückumgestellten Fläche von über 40 Prozent ein. Durch die bundesweite Befragung der Rückumstellungsbetriebe konnten weitere Merkmale von rückumgestellten Betrieben erhoben werden. Demnach zeichnen sich die rückumgestellten Betriebe durch folgende Merkmale aus: Überdurchschnittlich häufig stellten Betriebsleiter in höherem Alter (55 Jahre und älter) wieder auf eine konventionelle Wirtschaftsweise um. Die Hofnachfolger dieser Betriebsleiter scheinen sich wieder konventionell orientiert zu haben. Die Angaben der Betriebsleiter zur Dauer der ökologischen Bewirtschaftung ihres Betriebes offenbarten, dass sich zwei Drittel der befragten Rückumsteller in der ersten oder zweiten Förderperiode gegen eine Weiterführung des Ökolandbaus entschieden. Das heißt, zwei Drittel der befragten Rückumsteller haben maximal zehn Jahre ökol ogisch gewirtschaftet. Der Anteil der Betriebsleiter, die vor 1989 auf ökologischen Landbau umgestellt haben, war bei den Rückumstellern deutlich niedriger als bei den heute ökologisch wir tschaftenden Betrieben. Der Anteil der Betriebe, die erst nach 2000 auf Ökolandbau umgestellt haben, ist dagegen bei den rückumgestellten Betrieben deutlich höher. Die Rückumstellung scheint mit zunehmender Dauer ökologischer Bewirtschaftung weniger wahrscheinlich zu werden. Bezüglich der Mitgliedschaft in einem der Anbauverbände des ökologischen Landbaus ergab die Analyse vergleichsweise geringere Rückumstellungsquoten bei Betri eben, die sich einem Anbauverband angeschlossen hatten.Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass das Ausbildungsniveau und die Inanspruchnahme von externer Beratung eine Rolle spielen. So wurden rückumgestellte Betriebe vergleichsweise häufiger von Betriebsleitern ohne formale landwirtschaftliche Ausbildung geführt und haben während der Zeit der ökologischen Bewirtschaftung vergleichsweise weniger externe Beratung in Anspruch genommen. Ökonomische Gründe für die Rückumstellung häufig entscheidend Wie die Befragungsergebnisse weiter zeigen, spielten ökonomische Aspekte bei der Entscheidung der Landwirte zur konventionellen Wirtschaftsweise zurückzukehren insgesamt eine relativ große Rolle. Von Bedeutung waren vor allem fehlende Einkommensverbess erungen bzw. ein insgesamt zu geringes Einkommen, Vermarktungsprobleme, zu geringe Preisaufschläge für Ökoprodukte sowie zu niedrige oder gekürzte Ökoprämien. Weitere wichtige ökonomische Gründe für eine Rückumstellung aus Sicht der Landwirte waren zu hohe Kosten für Kontrolle und Zertifizierung des Ökolandbaus sowie für den Zukauf ökologisch zertifizierter Futtermittel Die hohe Bedeutung ökonomischer Motive verwundert auf den ersten Blick, da die Auswertungen der deutschen Testbetriebsnetzdaten seit Jahren im Durchschnitt höhere Ei nkommen in den Ökobetrieben ausweisen. Dahinter verbergen sich allerdings sowohl Betriebe mit deutlich höheren als auch deutlich niedrigeren Einkommen als ihre konventionellen Vergleichsbetriebe. Für die Entscheidung zur Rückumstellung dürften aber vor allem die persönlichen Einschätzungen der Betriebsleiter und weniger der direkte Einkommensvergleich mit anderen Betrieben entscheidend sein. Zu den zentralen Gründen für die Rückumstellung zählten auch Probleme mit den Ökorichtlinien und der ökospezifischen Kontrolle. In der Befragung wurde in diesem Zusammenhang insbesondere ein zu hoher zeitlicher Aufwand für Nachweise und Kontrollen, komplizierte Ökorichtlinien, zu strenge und einschränkende Richtlinien und Kontrollen sowie Probleme mit der Umsetzung der Ökostandards erwähnt. Explizit genannt wurden in diesem Zusammenhang die 100 Prozent Biofütterung und die auslaufenden Ausnahmeregelungen für die Anbindehaltung bei kleineren Kuhbeständen. Weitere produktionstechnische Schwierigkeiten wie die Zunahme des Unkrautdrucks, unsichere oder stark schwankende Erträge, zu niedrige Erträge im Pflanzenbau und Probleme mit der Nährstoffversorgung hatten eine etwas geringere Bedeutung für die Rückumstellung. Als eher unwichtig wurden u. a. Probleme mit der Tiergesundheit oder mit Pflanzenkrankheiten und die Ablehnung des Ökolandbaus durch Kollegen oder das persönliche Umfeld eingestuft. Bedeutung der Rückumstellungsgründe von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich Die beschriebenen Gründe betreffen allerdings nicht jeden rückumgestellten Ökobetrieb in gleicher Weise. Die nach Erwerbsform, Betriebsgröße und Betriebstyp differenzierte Analyse der Befragungsergebnisse verdeutlicht folgende Zusammenhänge zwischen Betriebsstrukturen und Rückumstellungsgründen: VI Zusammenfassung – Hauptberuflich arbeitende Landwirte sahen produktionstechnische Themen wie geringe Erträge im Pflanzenbau sowie mangelnde Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Ökolandwirten im Vergleich zu den nebenberuflich wirtschaftenden Landwirten deutlich häufiger als wichtig an. Das dürfte u. a. an dem insgesamt höheren Intensitätsniveau in der Bewirtschaftung, den höheren Erwartungen der Betriebsleiter an die Erträge im Pflanzenbau und dem dafür erforderlichen Nährstoffmanagement liegen. – Den Aufwand für Nachweise und Kontrollen zum Ökolandbau sowie die damit verbundenen Kosten wurden vor allem von kleinen Betrieben als zu hoch bewertet. Zu geringe bzw. stark schwankende Erträge waren dagegen – korrespondierend zu den oben genannten Ergebnissen – eher für die größeren Betriebe ein Problem Deutliche Unterschiede in der Bedeutung der Rückumstellungsgründe konnten auch zwischen Betrieben mit unterschiedlicher Ausrichtung festgestellt werden: „Keine Einkommensverbesserung mit Ökolandbau“ wurde als Rückumstellungsgrund von Veredlungsbetrieben, Schaf- und Ziegenbetrieben, Mutterkuh- und Rindermastbetrieben sowie Betrieben mit nicht weiter spezifiziertem Futterbau (u. a. Pensionspferdehaltung) deutlich häufiger genannt als von den Betriebsleitern der anderen Betriebstypen (Ackerbau, Gemischt, Milchvieh). Die Betriebsleiter der Schaf- und Ziegenbetriebe, Mutterkuh- und Rindermastbetriebe sowie von Betrieben mit nicht weiter spezifiziertem Futterbau gaben darüber hinaus überdurchschnittlich häufig Vermarktungsprobleme als Rückumstellungsgrund an, was wohl eine Ursache für die schlechteren Einkommensmöglichkeiten darstellt. Bei den Veredlungsbetrieben waren vor allem neben schlechteren Einkommensmöglichkeiten hohe Kosten für Zukauffutter und 100 Prozent Biofütterung hervorstechende Rückumstellungsgründe Insgesamt betrachtet gab es für die Rückumstellung der Ökobetriebe auf eine konventi onelle Wirtschaftsweise in der Regel nicht den allein entscheidenden Rückumstellungsgrund. Vielmehr war es meist ein Bündel von persönlichen und betrieblichen sowie externen Faktoren, das beim einzelnen Betriebsleiter letztendlich zur Entscheidung der Rückumstellung geführt hat. In vielen Fällen gab es einen letzten Auslöser, der diese für die Betriebsleiter schwierige Entscheidung dann am Ende eindeutig machte. Der Entscheidungsprozess selbst zog sich häufig über einen Zeitraum von mehreren Jahren hin. Die aus Sicht vieler Rückumsteller unzureichende Wirtschaftlichkeit und auch fehlende Entwicklungsperspektiven im ökologischen Landbau hatten zur Folge, dass mit dieser Wir tschaftsweise verbundene Erschwernisse und Ärgernisse nicht länger toleriert wurden.Neun typische Gründe-Konstellationen Auch wenn die Gründe für die Rückumstellung sehr betriebsindividuell sind, können die verschiedenartigen Problemsituationen durch neun typische Rückumstellungs - Konstellationen charakterisiert werden: Typ 1 »Ökologische Tierhaltung für „nebenbei“ zu aufwändig« Dieser Typ repräsentiert im Nebenerwerb bewirtschaftete, viehhaltende Grünlandbetriebe mit einer extensiven Grundausrichtung, denen sich zu einer bestimmten Zeit durch die Teilnahme an der Ökoförderung die höchsten Flächenprämien boten. Die mit der ökologischen Wirtschaftsweise verbundenen Zusatzauflagen stellen die Betriebsleiter jedoch vor hohe fachliche, finanzielle und zeitliche Aufwendungen (z. B. Beschaffung von Betriebsmitteln, Dokumentation und Kontrolle). Aufgrund fehlender ökologischer Absatzwege für die Tiere ist eine rentable Ökoproduktion nicht möglich. Typ 2 »Bauliche Voraussetzungen ungeeignet für die ökologische Tierhaltung« Dieser Rückumstellungs-Typ steht für kleine Mutterkuh- und Milchvieh- sowie Gemischtbetriebe, denen die betrieblichen Anpassungsmöglichkeiten an auslaufende Ausnahmegenehmigungen in der Tierhaltung (z. B. Verbot der Anbindehaltung) fehlen. Ungünstige bauliche Voraussetzungen in der Hofstelle, kleine Betriebsgrößen und unklare Entwicklungsperspektiven lassen für diese Betriebe keine größeren und wirtschaftlich tragfähigen Investitionen in den Stallneu- oder -umbau zu. Typ 3 »Ökolandbau für alters- oder gesundheitsbedingt auslaufende Familienbetriebe zu aufwändig« Die Gründe für die Rückkehr zum konventionellen Landbau konzentrieren sich bei diesem Typ auf den betriebsinternen Bereich. Wesentlicher Engpass ist hier die Verfügbarkeit von Familienarbeitskräften, da eine junge nachwachsende Generation fehlt oder andere mithelfende Altenteiler nicht mehr zur Verfügung stehen. Typ 4 »Richtlinienverschärfung: 100 Prozent Biofütterung« Die Richtlinienverschärfungen im Bereich der Fütterung von Wiederkäuern und der damit verbundene vollständige Ausschluss des Einsatzes konventioneller Futterkomponenten sind in schaf- und rinderhaltenden Haupterwerbsbetrieben häufig der entscheidende Ausstiegsgrund. Es fehlen entweder Öko-Kooperationspartner bzw. Futterlieferanten im näheren Umfeld oder bisher praktizierte „einfache Lösungen“, wie z. B. die trockene Winterweide beim konventionellen Nachbarbetrieb, sind nicht mehr möglich. Zudem führt die am Markt fehlende Honorierung des erhöhten Kostenaufwandes für die Futterbeschaffung zu Einbußen in der Wirtschaftlichkeit der Betriebe. Typ 5 »Ohne Intensivierung kaum Entwicklungswege offen« Dieser Typ repräsentiert die Ausstiegssituation, wie sie auf vergleichsweise intensiv bewirtschafteten Milchviehbetrieben vorgefunden werden kann. Kennzeichnend für diese Betriebe ist eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation durch verschiedene externe und interne Faktoren (Verlust von Flächen, ungelöste produktionstechnische Probleme, steigende Produktionskosten, zu geringe Ökozuschläge). Eine Verbesserung der Situation ist für den Betriebsleiter bzw. den designierten Hofnachfolger nicht absehbar. Typ 6 »Konventionelle Bewirtschaftungsalternativen konkurrenzlos« Entscheidend für den Ausstieg aus der ökologischen Bewirtschaftung sind bei diesem Typ weniger betriebliche oder produktionstechnische Schwierigkeiten als primär die Veränderung externer Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), verringerte Ökoprämien und ein gestiegenes Preisniveau für konventionelle Agrarprodukte. Obwohl das System Ökolandbau gut funktioniert und rentabel ist, sind konventionellen Alternativen wie der Energiepflanzenanbau so attraktiv, dass die Betriebe auf eine konventionelle Wirtschaftsweise rückumstellen. Typ 7 »Ohne eigene Tierhaltung oder Kooperationspartner geht es langfristig nicht« Mit diesem Typus wird die auf spezialisierten Ackerbaubetrieben vorgefundene Ausstiegssituation umschrieben. Die Betriebsleiter finden keinen Weg, um ein sinkendes Ertragsniveau durch höhere Preise zu kompensieren oder neue Quellen zur Verbess erung der Nährstoffversorgung zu erschließen. Eine Neustrukturierung des Betriebs und der Aufbau einer eigenen Tierhaltung kommen für die Betriebsleiter und Hofnachfolger nicht in Frage. Typ 8 »Enttäuschte Ökopioniere« Dieser Rückumstellungs-Typ definiert sich als einziger Typus ausschließlich über die Person des Betriebsleiters. Dieser gehört zu den Pionieren des ökologischen Landbaus, ist aber aus unterschiedlichen Gründen von den Entwicklungen innerhalb des Ökosektors enttäuscht und will diese nicht mehr mittragen. Konkrete Ärgernisse, unter anderem bei der Ökokontrolle, sind häufig das „I-Tüpfelchen“, das zur endgültigen Ausstiegsentscheidung führt. Typ 9 »Allein auf weiter Flur« Dieser Rückumstellungs-Typ charakterisiert eine Situation, in der es den Betrieben aufgrund fehlender öko-spezifischer Strukturen in der Region sowohl an ökologisch ausgerichteten Bezugs- und Absatzkanälen als auch an Vernetzung mit anderen Ökobetrieben fehlt. Intensivierung der Produktion nach Rückumstellung Der Ausstieg aus dem Ökolandbau und seinem Regelwerk schafft Möglichkeiten, den Betrieb neu auszurichten. Wie die Ergebnisse der Befragung zeigen, intensivierten die mei sten Betriebe im Anschluss an die Rückumstellung ihre Produktion (höherer Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie höherer Kraftfutterzukauf). Dies war vor allem bei den Haupterwerbsbetrieben der Fall und weniger bei Betrieben, die bereits vor der Umstellung auf ökologischen Landbau relativ extensiv gewirtschaftet hatten. Eine weitere häufig zu beobachtende Veränderung nach der Rückkehr zum konventionellen Landbau ist der Rückgang des Anbaus von Körnerleguminosen und Ackergras, während der Energi epflanzenanbau an Bedeutung gewinnt. Darüber hinaus sinkt typischerweise nach der Rückumstellung der Bedarf an Arbeitskräften. Ökolandbau weiterhin eine noch denkbare Zukunftsoption Für viele Rückumsteller bleibt eine Rückkehr zur ökologischen Wirtschaftsweise eine denkbare Option, soweit langfristige Investitionsentscheidungen einen Wiedereinstieg nicht ausschließen. Als Voraussetzungen wurden hierfür in der schriftlichen Befragung und in den Interviews vor allem höhere Preise für Ökoprodukte, geringere Kontrollkosten ein vereinfachtes Kontrollverfahren, verlässlichere und höhere Ökoprämien, eine bessere Organisation der Vermarktung und weniger strenge Richtlinien genannt. Handlungsoptionen – Pauschale Ansätze wenig hilfreich Die Ergebnisse dieser Arbeit machen deutlich, dass die Rückkehr von Ökobetrieben zu einer konventionellen Wirtschaftsweise durch sehr unterschiedliche persönliche, betriebliche sowie externe Faktoren hervorgerufen werden kann. Wenn der ökologische Landbau nicht mehr zu den persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen passt, ist eine Rückkehr zur konventionellen Wirtschaftsweise eine naheliegende und für den Betrieb vermutlich die bessere Entscheidung. Trotz der politisch gewollten Ausdehnung des ökologischen Landbaus in Deutschland sind daher auch zukünftig Rückumstellungen als nicht immer vermeidbar anzusehen. Die ökologische Wirtschaftsweise ist für die Mehrheit der Landwirte eine von mehreren Unternehmensstrategien, die erfolgreich oder auch nicht erfolgreich sein kann, und keine normative Grundsatzentscheidung. Die Vielfalt der betrieblichen Rückumstellungs-Konstellationen bedingt, dass es keine zentrale und für alle Betriebe passende Stellschraube gibt, mittels derer Rückumstellungen in Zukunft vermieden werden könnten. Gefragt ist vielmehr ein Bündel an verschiedenen Maßnahmen, das zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für alle ökologi sch wirtschaftenden Betriebe beiträgt, damit eine Rückumstellung erst gar nicht zu einem betrieblichen Thema wird. Die Schaffung eines kohärenten Politikrahmens, der langfristig zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit des ökologischen Landbaus gegenüber der konventionellen Wirtschaftsweise führt, ist in diesem Kontext eine zentrale Herausforderung. Zu e iner Verbesserung der Rahmenbedingungen können eine über mehrere Jahre hinweg verlässliche Förderung des ökologischen Landbaus sowie eine Verbesserung der Vermarktungsbedingungen beitragen. Um die Wirtschaftlichkeit des ökologischen Landbaus langfristig sicherzustellen, sind ferner geeignete Maßnahmen notwendig, die zu einer Steigerung der Ertrags- und Produktionsleistungen auf den Ökobetrieben führen. Darüber hinaus sollten die Akteure des ökologischen Sektors und die zuständigen Einrichtungen der Agrarverwaltung bestrebt sein, die Transparenz und Praktikabilität der Richtl inien zu verbessern, die Schwachstellen der Ökokontrolle abzubauen und die Beratung auszubauen. Der Ausbau der Beratung erscheint insbesondere für potenzielle Neueinsteiger in den Ökolandbau angebracht, denn vielfach scheinen falsche Vorstellungen über die mittelfristig erzielbaren Naturalerträge und Leistungen zu bestehen. Hinzu kommen offensichtlich immer wieder auch falsche Erwartungen, was die Organisation der Vermarktung und die erzielbaren Preise anbelangt. Hier sind von Seiten der Ökolandwirte höhere Anstrengungen erforderlich als im konventionellen Bereich üblich. Über eine obligatoris che Erstberatung als Voraussetzung für die Anmeldung zur Ökokontrolle sollte daher im Ökosektor nachgedacht werden.

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